Froh, zur Schule zu gehen
Zum Artikel „Niederlage für Schulflüchtlinge – Oberverwaltungsgericht Bremen: Familie darf Kinder nicht zu Hause unterrichten“ (Ausgabe vom 4. Februar).

„Mit Interesse haben wir Ihren Artikel ‚Niederlage für Schulflüchtlinge‘ gelesen und begrüßen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bremen, das den Eltern Neubronner untersagt, ihre Söhne Moritz (12) und Thomas (9) selbst anstatt in einer Schule zu unterrichten.
Wo würde es in Deutschland hinführen, wenn Eltern frei entscheiden dürften, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken oder selbst unterrichten? Welche Instanz prüft, ob die Eltern überhaupt in der Lage sind, ihre Kinder zu unterrichten? Unsere Meinung ist, dass den Kindern der Familie Neubronner durch den Privatunterricht bei ihrem Vater in ihrer Entwicklung mehr Nachteile als Vorteile erwachsen.
1. Den Eltern fehlt die nötige Fachkompetenz, um ihre Kinder in allen Fächern unterrichten zu können. In der Schule werden Schüler von Fachlehrern unterrichtet. Kein Lehrer würde so anmaßend sein, jedes in der Schule erteilte Fach zu unterrichten.Warum sollten Eltern in der Lage sein, ihren Kindern den Stoff besser zu vermitteln als dies ausgebildete Pädagogen können?
2. Thomas und Moritz haben keinen starren Stundenplan. Das wünschen wir uns auch. Aber zur Vorbereitung auf das spätere Berufsleben müssen sich schon junge Menschen an einen geregelten Tagesablauf halten, dazu gehört auch das frühe Aufstehen. Wir leben nicht in einer ‚Spaßgesellschaft‘, in der jeder machen kann, was er will.
3. In der Schule sind wir mit vielen jungen Menschen zusammen. Es entwickeln sich Freundschaften, die den Schulalltag angenehm machen oder zu Kontakten führen, die auch in der Freizeit von Bedeutung sind. Durch Freunde werden wir bei Problemen unterstützt und lernen unterschiedliche Freizeitgestaltungen kennen.
4. Wenn Kinder von ihren Eltern unterrichtet werden, erhalten sie keine Zeugnisse. Ein Leistungsvergleich mit Gleichaltrigen ist nicht möglich.
5. Wenn Eltern ihre Kinder unterrichten, können sie selbst keiner geregelten Arbeit nachgehen, das heißt, sie müssen ‚arbeitslos‘ sein. Das Unterrichten der eigenen Kinder ist zeitaufwendig, in einer normalen Familie sind die Eltern mit ihrem Beruf so ausgelastet, dass sie sicher nicht nach ‚Feierabend‘ noch die geduldigsten Lehrer sind. Außerdem müssten die Kinder dann am Abend, wenn sie bereits müde sind, unterrichtet werden. Sicher ist es für die Entwicklung der Kinder schöner, am Abend gemeinsam etwas zu unternehmen als mit dem Vater Mathematik, Deutsch und so weiter zu pauken.
6. Kinder, die von ihren Eltern unterrichtet werden, haben keine Trennung von Schule und Privatleben. Ist die ‚Schulstunde‘ beim eigenen Vater oder auch der Mutter mal schlecht gelaufen, so muss man dann auch noch beim Abendbrot mit dem ‚Lehrer‘ am Tisch zusammen- sitzen. Die Beziehung zu den Eltern kann also zeitweise sehr belastet sein.
7. Viele soziale Kompetenzen können in einer Kleinfamilie nicht erlernt werden. Teamfähigkeit ist heute im Berufsleben eine der wichtigsten Kompetenzen. In einem Team arbeiten unterschiedliche Charaktere zusammen, ohne Toleranz ist Teamwork undenkbar.
Wir sind froh, dass unsere Eltern uns zur Schule schicken und nicht auf die Idee kommen, uns selbst zu unterrichten. Wir glauben, dass Moritz und Thomas zurzeit sehr unter der Starrsinnigkeit ihrer Eltern leiden. Sie müssen mit ihrem Vater in Frankreich leben, während die Mutter in Bremen arbeitet. Sie vermissen ihre Freunde in Bremen und würden sicher lieber wieder nach Deutschland zurückkehren. Wenn beide Jungen während des Besuchs der Grundschule Albträume, Bauch- und Kopfschmerzen hatten, so wird dies sicher seine Gründe haben. Vielleicht sollten die Eltern mal nach den Gründen forschen, um für ihre Söhne einen Schulbesuch zu ermöglichen.“

 
Klasse 9Hb der Haupt- und Realschule Ankum Schuljahr 2008/09
 
Bersenbrücker Kreisblatt 19.02.2008